Hauskauf für die AbrissbirneImmobilien: Überall im Lande stehen Einfamilienhäuser aus den 50er und 60er Jahren zum Verkauf, in denen die Erben nicht wohnen wollen. Heutigen energetischen Standards genügen sie selten. Interessenten sollten in solchen Fällen frühzeitig Sachverständige hinzuziehen. Denn es gilt möglichst schon vor dem Kauf zwischen Abriss und Neubau, Teilabriss oder einer Sanierung abzuwägen.VDI nachrichten, Düsseldorf, 2. 11. 12, sta Das Traumhaus! 170 m² Wohnfläche, fast 1 ha Grund, städtische Lage in Schul- und Job-Nähe. Allein das Grundstück ist 200 000 € wert. Bleiben beim vereinbarten Kaufpreis ganze 65 000 € für das 50 Jahre alte Haus. „Fast geschenkt“, frohlockt der glückliche Käufer. Anfangs. Wer sich im Web über „Sanierung oder Abriss und Neubau?“ informieren möchte, stößt früher oder später auf den lehrreichen Chat im „Bauexpertenforum“. Mit jedem Eintrag wird klarer, dass dieser Kauf keineswegs das erhoffte Schnäppchen war. Der emotional geträumte Eigenheimtraum entpuppt sich als Albtraum. Schadstoffbelasteter Parkettkleber, morbide Elektrik, rotte Fenster und Türen, der nicht recht passende Zuschnitt der Räume, das luftige Dach und die nötige Wärmedämmung werfen bald die Frage auf, ob Abriss und Neubau nicht die günstigere Variante sind. Doch 65 000 € zuzüglich Abrisskosten für eine Schrottimmobilie? Dem reuigen Käufer dämmert, dass sein geplantes Baubudget kaum reichen wird. Nach und nach decken die Bauexperten im Forum seine Fehler auf. Das erste Malheur: Er hat den Kaufvertrag unterschrieben, ohne die Bausubstanz vorher prüfen zu lassen. Ein Fachmann hätte ihm den drohenden Sanierungsaufwand erläutern können. Er hätte ihm auch schonungslos offenbart, was ein entkerntes 50er-Jahre Haus aus Hohlblocksteinen und fragwürdig bewehrten Fundamenten sowie kaum zu behebenden Wärmebrücken wirklich wert ist. Im Verkaufsgespräche wäre es dann darum gegangen, welche Abrisskosten vom geforderten Preis abzuziehen sind. Auf den Zustand der Bausubstanz gab es den Fachleuten zufolge Hinweise. Beim Anblick von Fotos der verwilderten Vegetation auf den Grundstück plaudert ein erfahrener Architekt aus dem Nähkästchen: Bei vielen Häusern dieser Baujahre seien die Besitzer altersbedingt nicht mehr in der Lage, Haus und Hof in Schuss zu halten. Nach ihrem Tod oder Auszug wollten die Erben, die längst woanders leben, höchstmögliche Preis erzielen. Doch solche Häuser seien gerade in ländlichen Gebieten und Kleinstädten nahezu unverkäuflich. Erst recht, wenn sie auf einem großen Grundstück zu ortsüblichen Quadratmeterpreisen angeboten werden. Der Käufer hat also eine gute Ausgangslage verschenkt. Und auch seinen ursprünglichen Plan, das minderwertige Haus mit über 200 000 € Budget zu sanieren, zerreißen die Fachleute in der Luft. „Das in den Umbau gesteckte Geld sollte sich nachher im Wert des Gebäudes widerspiegeln“, formuliert einer von ihnen diplomatisch. Trotz 265 000 € Kaufpreis und 200 000 € Sanierungskosten wäre ein Haus in beschriebener Lage mit der gegebenen Grundsubstanz kaum über 300 000 € wert. „Man kann mit Immobilien problemlos Geld vernichten“, kommentiert er lakonisch. Und nicht zuletzt werfen die Fachleute dem unerfahrenen Käufer vor, dass er zu Hammer und Meißel gegriffen hat, ehe ein Architekt die Sanierungs- und Gestaltungsoptionen durchdacht und geplant hat. Faustformel bei solchen Projekten sei es, soviel vorhandene Substanz wie irgend möglich weiterzunutzen. Denn jede Umbaumaßnahme verschlinge Geld. Jeder umgesetzte Stein treibe die Kosten auf das Niveau eines Neubaus nach heutigen Standards. Die Alternativen heißen also: Sanierung unter Erhalt der vorhandenen Substanz oder eine klare Abriss- und Neubaustrategie. Mittelwege kommen dagegen teuer. Damit die Sanierungsvariante in Frage kommt, muss vieles stimmen. Das beginnt bei der Raumaufteilung und der Lage der Treppen, geht bei den baulichen Möglichkeiten und Kosten einer energetischen Sanierung weiter und endet nicht bei Aspekten wie Barrierefreiheit und Komfort. Eine Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. in Kiel taxiert eine barrierefreie Vollmodernisierung von Ein- und Zweifamilienhäusern auf 1100 €/m² bis 1650 €/m². Neubauten mit vergleichbarem Standard kosten nicht mehr. Vor diesem Hintergrund empfehlen die Bausparkasse Badenia und der Verband Privater Bauherren, den Zustand vermeintlicher „Schnäppchen“ vor dem Kauf von einem Fachmann prüfen zu lassen. Auch ein Sanierungsfahrplan sei wichtig, um Kostenvoranschläge für die nötige Maßnahmen einholen zu können. Zudem müssten Hauskäfer einrechnen, dass die Bauphase weitere Mängel aufdecken kann. Sind alle Fakten auf dem Tisch und gründlich abgewogen, sollte die Grundsatzentscheidung über Komplettsanierung oder Neubau fallen. Obwohl das aktuelle niedrige Zinsniveau und die staatlichen Förderprogramme für energieeffizientes Bauen dafür sprechen, solche Projekte in einem Rutsch zu planen, zu finanzieren und umzusetzen, gibt Badenia-Bausparexperte Jochen Ament zu bedenken, dass auch schrittweises Sanieren Vorteile hat: „Der Bauherr kann Arbeiten nach seinem Bedarf priorisieren und nach und nach ausführen lassen.“ Das entlaste sein Budget zumindest anfangs deutlich. Allerdings ist eine zentrale Frage auch in Expertenkreisen umstritten: „Rechnet sich energiesparendes Sanieren?“ – Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) hat dies Ende 2010 nach Auswertung von 350 Sanierungsprojekten im Mehrfamilienhausbereich bejaht – und dafür Widerspruch geerntet vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen: „Dass sich energetische Sanierung von Mehrfamilienhäusern für Vermieter und Mieter rechnet, ist in Teilen schlichtweg falsch.“ Die Dena-Studie vermittele unrealistische Vorstellungen der Kosten und des Aufwands. Zudem habe sie ihre Modellrechnungen an wahren Energieschleudern mit hohem Instandsetzungsbedarf durchgeführt. So lasse sich jede energetische Sanierung als wirtschaftlich hinstellen. Hier sollten Käufer von gänzlich unisolierten 50er-Jahre Eigenheimen die Ohren spitzen: Wenigstens bei solchen Energieschleudern scheint sich das energetische Update zu lohnen. PETER TRECHOW Wir danken Peter Trechow und den vdi-nachrichten für die Erlaubnis der Veröffentlichung, wo der Artikel am 2.11.2012 erschien.
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Seite erstellt am 21.12.2012, letzte Änderung 18:24 21.12.2012, Freitag |